Diese Begebenheit hat mir mein Freund Ünsal
bei einer Tasse Kaffee erzählt, den ich vor lauter Zuhören fast (!)
habe kalt werden lassen, was, wer mich kennt, schon viel heißt!
Er macht gerade Urlaub in dem kleinen Dorf, in dem der größte Teil seiner Familie lebt, irgendwo im Innern der Türkei. Heute hat er sich den Wagen seines Schwagers ausgeliehen, um damit in die etwa fünfzig Kilometer entfernte Provinzhauptstadt zu fahren, wo er einiges auf dem Amt zu erledigen hat. Etwa auf der Hälfte der Strecke, die durch recht einsame Gegenden führt, sieht er schon von weitem ein liegengebliebenes Fahrzeug, um das die vorbeikommenden Wagen einen dezenten Bogen machen, wobei sie eher etwas schneller als langsamer werden. Diese Manöver werden von dem Fahrer des Pannenautos, der ausgestiegen ist und wild gestikulierend versucht, jemanden zum Anhalten zu bewegen, derart beantwortet, dass er sich mit einer ärgerlichen Geste auf die Schenkel schlägt, deutlich seine Empörung ausdrückend über die verweigerte Hilfeleistung.
Ünsal erklärt mir, dass das Vorbeifahren „normalerweise“ auch genau das richtige Verhalten sei, denn oft würden in dieser Gegend Pannen vorgetäuscht, um letztlich auf betrügerische Weise an das Geld der Hilfewilligen zu kommen.
Mit solchen Gedanken nähert er sich also dem Ort des Geschehens und erst kurz, bevor er ihn erreicht, entscheidet er intuitiv: ich halte an und helfe, vielleicht ist es ja doch eine echte Notsituation.
Es kommt, wie es kommen muss: der Mann will Geld. Der Wagen müsse abgeschleppt werden in eine Werkstatt, und keiner der Vorbeikommenden habe das bisher unentgeltlich machen wollen. Ünsal bietet ihm an, dies für ihn zu tun. Jetzt behauptet der Fahrer, dies ginge aber nur mit einer Abschleppstange, weil die Bremsen des Wagens nicht mehr funktionierten. Damit kann Ünsal nicht dienen.
Er schaut mich mit großen Augen an, als er erzählt: immer wieder habe er sich überprüft, was er glaube: Betrug oder nicht, alles habe ja irgendwie danach ausgesehen, aber ganz sicher sei er in keiner Phase gewesen.
Irgendwann bricht er das Palaver ab und trifft eine Entscheidung. Er gibt dem Mann das Geld, das nötig ist, den Wagen bis in die nächste Werkstatt abzuschleppen, und als der überglücklich Wirkende und ihn jetzt auch noch Umarmende anbietet, ihm zur Sicherheit seinen Fahrzeugschein mitzugeben, den er dann demnächst wieder abholen werde, wenn er ihm das Geld zurückbringe, lehnt Ünsal ab. Er will die Sache jetzt und hier beenden. Der Mann bedankt sich überschwänglich und Ünsal fährt weiter.
„Ich habe mich in diesem Moment dafür entschieden, zu helfen für den Fall, dass es eine echte Not ist“, sagt er und schaut mich aus den Augenwinkeln an, „obwohl ich eher glaube: es war eine Betrügerei, aber ich hab' das in Kauf genommen.“ Und dann nimmt er einen Schluck Kaffee und mir wird klar: es gibt von dieser Geschichte einen zweiten Teil.
In der Provinshauptstadt angekommen, parkt er seinen Wagen vor dem Amt und erledigt während der nächsten Stunde die Dinge, derentwegen er hergekommen ist.
Als er damit fertig ist und wieder losfahren will … streikt sein Auto. Nichts rührt sich, der Anlasser macht keinen Mucks. Wahrscheinlich die Batterie, denkt er und animiert einen Passanten, ihm beim Anschieben behilflich zu sein. Ohne Erfolg. Jetzt steht er mitten auf der Straße und weiß nicht weiter.
Da kommt ein junger Mann auf ihn zu, nennt ihn „Onkel“ ( was, wie mir erklärt wird, in diesem Fall keine Verwandtschaftsbezeichnung ist, sondern eine Respektbezeugung dem Älteren gegenüber ) und bietet seine Hilfe an: er habe das gleiche Modell und kenne diese Macken. Das sei, tröstet er Ünsal, alles kein Problem, aber man bräuchte doch einen Mechaniker für die kleine Reparatur. Und da wisse er auch jemanden, mit dem er jetzt mal telefonieren wolle. Kurz und gut: eine halbe Stunde später ist ein Mechaniker vor Ort und bringt das Auto mit ein paar gekonnten Handgriffen und Schraubenschlüsselumdrehungen wieder zum Laufen.
„Und?“ ich muss das jetzt einfach fragen, „haben sie Geld gewollt?“
Ünsals Augen werden noch runder, er schaut an mir vorbei und ich sehe, wie er wieder in die Situation eintaucht auf der Straße vor dem Amt, wo die drei Männer sich verabschieden:
„Von Geld hat da überhaupt niemand gesprochen!“, sagt er, „die haben das gern für mich gemacht“.
*
bei einer Tasse Kaffee erzählt, den ich vor lauter Zuhören fast (!)
habe kalt werden lassen, was, wer mich kennt, schon viel heißt!
Er macht gerade Urlaub in dem kleinen Dorf, in dem der größte Teil seiner Familie lebt, irgendwo im Innern der Türkei. Heute hat er sich den Wagen seines Schwagers ausgeliehen, um damit in die etwa fünfzig Kilometer entfernte Provinzhauptstadt zu fahren, wo er einiges auf dem Amt zu erledigen hat. Etwa auf der Hälfte der Strecke, die durch recht einsame Gegenden führt, sieht er schon von weitem ein liegengebliebenes Fahrzeug, um das die vorbeikommenden Wagen einen dezenten Bogen machen, wobei sie eher etwas schneller als langsamer werden. Diese Manöver werden von dem Fahrer des Pannenautos, der ausgestiegen ist und wild gestikulierend versucht, jemanden zum Anhalten zu bewegen, derart beantwortet, dass er sich mit einer ärgerlichen Geste auf die Schenkel schlägt, deutlich seine Empörung ausdrückend über die verweigerte Hilfeleistung.
Ünsal erklärt mir, dass das Vorbeifahren „normalerweise“ auch genau das richtige Verhalten sei, denn oft würden in dieser Gegend Pannen vorgetäuscht, um letztlich auf betrügerische Weise an das Geld der Hilfewilligen zu kommen.
Mit solchen Gedanken nähert er sich also dem Ort des Geschehens und erst kurz, bevor er ihn erreicht, entscheidet er intuitiv: ich halte an und helfe, vielleicht ist es ja doch eine echte Notsituation.
Es kommt, wie es kommen muss: der Mann will Geld. Der Wagen müsse abgeschleppt werden in eine Werkstatt, und keiner der Vorbeikommenden habe das bisher unentgeltlich machen wollen. Ünsal bietet ihm an, dies für ihn zu tun. Jetzt behauptet der Fahrer, dies ginge aber nur mit einer Abschleppstange, weil die Bremsen des Wagens nicht mehr funktionierten. Damit kann Ünsal nicht dienen.
Er schaut mich mit großen Augen an, als er erzählt: immer wieder habe er sich überprüft, was er glaube: Betrug oder nicht, alles habe ja irgendwie danach ausgesehen, aber ganz sicher sei er in keiner Phase gewesen.
Irgendwann bricht er das Palaver ab und trifft eine Entscheidung. Er gibt dem Mann das Geld, das nötig ist, den Wagen bis in die nächste Werkstatt abzuschleppen, und als der überglücklich Wirkende und ihn jetzt auch noch Umarmende anbietet, ihm zur Sicherheit seinen Fahrzeugschein mitzugeben, den er dann demnächst wieder abholen werde, wenn er ihm das Geld zurückbringe, lehnt Ünsal ab. Er will die Sache jetzt und hier beenden. Der Mann bedankt sich überschwänglich und Ünsal fährt weiter.
„Ich habe mich in diesem Moment dafür entschieden, zu helfen für den Fall, dass es eine echte Not ist“, sagt er und schaut mich aus den Augenwinkeln an, „obwohl ich eher glaube: es war eine Betrügerei, aber ich hab' das in Kauf genommen.“ Und dann nimmt er einen Schluck Kaffee und mir wird klar: es gibt von dieser Geschichte einen zweiten Teil.
In der Provinshauptstadt angekommen, parkt er seinen Wagen vor dem Amt und erledigt während der nächsten Stunde die Dinge, derentwegen er hergekommen ist.
Als er damit fertig ist und wieder losfahren will … streikt sein Auto. Nichts rührt sich, der Anlasser macht keinen Mucks. Wahrscheinlich die Batterie, denkt er und animiert einen Passanten, ihm beim Anschieben behilflich zu sein. Ohne Erfolg. Jetzt steht er mitten auf der Straße und weiß nicht weiter.
Da kommt ein junger Mann auf ihn zu, nennt ihn „Onkel“ ( was, wie mir erklärt wird, in diesem Fall keine Verwandtschaftsbezeichnung ist, sondern eine Respektbezeugung dem Älteren gegenüber ) und bietet seine Hilfe an: er habe das gleiche Modell und kenne diese Macken. Das sei, tröstet er Ünsal, alles kein Problem, aber man bräuchte doch einen Mechaniker für die kleine Reparatur. Und da wisse er auch jemanden, mit dem er jetzt mal telefonieren wolle. Kurz und gut: eine halbe Stunde später ist ein Mechaniker vor Ort und bringt das Auto mit ein paar gekonnten Handgriffen und Schraubenschlüsselumdrehungen wieder zum Laufen.
„Und?“ ich muss das jetzt einfach fragen, „haben sie Geld gewollt?“
Ünsals Augen werden noch runder, er schaut an mir vorbei und ich sehe, wie er wieder in die Situation eintaucht auf der Straße vor dem Amt, wo die drei Männer sich verabschieden:
„Von Geld hat da überhaupt niemand gesprochen!“, sagt er, „die haben das gern für mich gemacht“.
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