Gestern geriet ich in eine Situation, die ich als „angeregte Konversation“ bezeichnen würde. Und die mich, obgleich sie in äußerst angenehmer Atmosphäre stattfand, in einer Art Katerstimmung hinterließ. Es wurde auch dabei gegessen, und wie es eben so ist, wenn man lange zusammensitzt: es wurde zu viel gegessen.
„Zu viel“, das ging mir lange nach, zu viel von allem: Reden, Essen, Trinken. Was wollten wir uns damit sagen?
Ganz am Ende des Treffens gab es einen Moment des Gesprächs zwischen mir und einem der anderen Beteiligten. Und darin ging mir gestern schon leise auf – und wird mir heute gänzlich klar – was mir fehlte und mich trotz der äußerlich höchst angenehmen Situation so ein bisschen unglücklich machte: Ich hatte das Gefühl, jetzt erst, als so viel schon gesagt war, das erste Wort zu hören und zu sprechen, und dass bisher von uns eher gegen das, was jetzt für einen Moment auftauchen durfte, angesprochen worden war: unsere gemeinsame Quelle, den Grund und Boden für all unser Reden, den wir miteinander teilen.
Sprache ist Austausch, ist Sich-Teilen in den Geist, Sprache ist Lieben aus dem Urgrund heraus, mit oder ohne Worte, das ist überhaupt nicht wichtig. Aber Sprache akzeptiert keinen separaten Rahmen, keinen persönlichen, keinen familiären, keinen kulturellen. Weil sie aus der Unmittelbarkeit kommen will, aus sich Selbst. Sprache ist Bewegung in LIEBE. In der Stille wird sie besonders deutlich. In der leisen Bewegung hörst du sie am besten.
In der Konversation ist viel Lärm. Irgendwas oder irgendwer wird immer durchgeprügelt. Die Schuld spielt ihr Spiel. Und wir schlucken das. Zu viel. Zu viel.
*
Jetzt sitze ich hinter meinem Kaffee und bin ein wenig allergisch gegen die Leute um mich herum.
Auch das kenn ich gut: meine Form der Katerstimmung, da brauch ich keinen Tropfen Alkohol getrunken zu haben.
Ein Wunder könnte ich jetzt gut gebrauchen. Ich sag das nicht so dahin, es ist diese Leere in mir, die ich gelernt habe nicht zu missachten, sie kann zur Einladung eines Wunders werden.
Schräg rechts sitzt ein offensichtlich Obdachloser, der mir neulich schon hier aufgefallen war, indem er äußerst nervöse, getriebene Bewegungen gemacht hatte, so, als würde er in jeder Sekunde dreimal überlegen, ob er noch sitzen bleiben solle oder gehen. Eine Art rasender Stillstand. Irgendwann war er abrupt aufgestanden und schnurstracks weggegangen.
Heute sitzt er ganz ruhig da und trinkt wie ich seinen Kaffee.
An dem Tisch vor mir sitzt ein junger Mann, edel gekleidet, wohlgestaltet, vor seinem ehemals üppigen Frühstück, das er gerade beendet … ich fass es nicht: Jetzt ist er es, von dem genau diese eigenartigen Bewegungen ausgehen, die ich neulich bei dem Obdachlosen beobachtet habe: getrieben, unentschieden und im Ergebnis Stillstand bedeutend: jetzt ist er es, der sich offensichtlich nicht entscheiden kann, ob er bleiben oder gehen soll. Das geht minutenlang so.
Mein Kater will mir gerade zuschnurren, dass der Kerl nervt und endlich dieses Herumhampeln lassen soll, da steht er auf, jetzt ganz entschieden, geht rüber zu dem Obdachlosen und stellt ihm mit einer fragenden Miene einen Teller hin, auf dem er die Reste seiner Mahlzeit – ein Brötchen, ein Schälchen Butter und eines mit Marmelade – zu einem veritablen Frühstück zusammengeräumt hat. Eine sorgfältig gefaltete Serviette legt er daneben.
Der Obdachlose nickt wortlos, ohne erkennbare Emotionen, und der junge Mann geht.
*
Sprache ist immer zwischen uns … sie bedeutet Miteinander-Teilen der Wahrheit. Sie wartet mit unendlicher Geduld darauf, dass wir unsere rasende Unentschlossenheit überwinden, den Urgrund zu akzeptieren, aus dem sie kommt und der sie zwischen uns wirksam werden lässt.
Sprachlosigkeit, den Bruch der Kommunikation, können wir uns nur einbilden, aber diese Einbildung ist höchst wirksam: sie lässt uns glauben, unsere Bewegung aus der QUELLE sei tatsächlich gelähmt und die Welt, in der wir unter Umständen ein Flugzeug brauchen, um die Distanz zwischen uns zu überwinden, die Welt, in der es auch Mangel, Ablehnung und Unüberwindlichkeit gibt, die Welt, die den unausweichlichen Tod als grundsätzlichen Konsens fordert … die Welt der Stummen sei wahr.
***
„Zu viel“, das ging mir lange nach, zu viel von allem: Reden, Essen, Trinken. Was wollten wir uns damit sagen?
Ganz am Ende des Treffens gab es einen Moment des Gesprächs zwischen mir und einem der anderen Beteiligten. Und darin ging mir gestern schon leise auf – und wird mir heute gänzlich klar – was mir fehlte und mich trotz der äußerlich höchst angenehmen Situation so ein bisschen unglücklich machte: Ich hatte das Gefühl, jetzt erst, als so viel schon gesagt war, das erste Wort zu hören und zu sprechen, und dass bisher von uns eher gegen das, was jetzt für einen Moment auftauchen durfte, angesprochen worden war: unsere gemeinsame Quelle, den Grund und Boden für all unser Reden, den wir miteinander teilen.
Sprache ist Austausch, ist Sich-Teilen in den Geist, Sprache ist Lieben aus dem Urgrund heraus, mit oder ohne Worte, das ist überhaupt nicht wichtig. Aber Sprache akzeptiert keinen separaten Rahmen, keinen persönlichen, keinen familiären, keinen kulturellen. Weil sie aus der Unmittelbarkeit kommen will, aus sich Selbst. Sprache ist Bewegung in LIEBE. In der Stille wird sie besonders deutlich. In der leisen Bewegung hörst du sie am besten.
In der Konversation ist viel Lärm. Irgendwas oder irgendwer wird immer durchgeprügelt. Die Schuld spielt ihr Spiel. Und wir schlucken das. Zu viel. Zu viel.
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Jetzt sitze ich hinter meinem Kaffee und bin ein wenig allergisch gegen die Leute um mich herum.
Auch das kenn ich gut: meine Form der Katerstimmung, da brauch ich keinen Tropfen Alkohol getrunken zu haben.
Ein Wunder könnte ich jetzt gut gebrauchen. Ich sag das nicht so dahin, es ist diese Leere in mir, die ich gelernt habe nicht zu missachten, sie kann zur Einladung eines Wunders werden.
Schräg rechts sitzt ein offensichtlich Obdachloser, der mir neulich schon hier aufgefallen war, indem er äußerst nervöse, getriebene Bewegungen gemacht hatte, so, als würde er in jeder Sekunde dreimal überlegen, ob er noch sitzen bleiben solle oder gehen. Eine Art rasender Stillstand. Irgendwann war er abrupt aufgestanden und schnurstracks weggegangen.
Heute sitzt er ganz ruhig da und trinkt wie ich seinen Kaffee.
An dem Tisch vor mir sitzt ein junger Mann, edel gekleidet, wohlgestaltet, vor seinem ehemals üppigen Frühstück, das er gerade beendet … ich fass es nicht: Jetzt ist er es, von dem genau diese eigenartigen Bewegungen ausgehen, die ich neulich bei dem Obdachlosen beobachtet habe: getrieben, unentschieden und im Ergebnis Stillstand bedeutend: jetzt ist er es, der sich offensichtlich nicht entscheiden kann, ob er bleiben oder gehen soll. Das geht minutenlang so.
Mein Kater will mir gerade zuschnurren, dass der Kerl nervt und endlich dieses Herumhampeln lassen soll, da steht er auf, jetzt ganz entschieden, geht rüber zu dem Obdachlosen und stellt ihm mit einer fragenden Miene einen Teller hin, auf dem er die Reste seiner Mahlzeit – ein Brötchen, ein Schälchen Butter und eines mit Marmelade – zu einem veritablen Frühstück zusammengeräumt hat. Eine sorgfältig gefaltete Serviette legt er daneben.
Der Obdachlose nickt wortlos, ohne erkennbare Emotionen, und der junge Mann geht.
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Sprache ist immer zwischen uns … sie bedeutet Miteinander-Teilen der Wahrheit. Sie wartet mit unendlicher Geduld darauf, dass wir unsere rasende Unentschlossenheit überwinden, den Urgrund zu akzeptieren, aus dem sie kommt und der sie zwischen uns wirksam werden lässt.
Sprachlosigkeit, den Bruch der Kommunikation, können wir uns nur einbilden, aber diese Einbildung ist höchst wirksam: sie lässt uns glauben, unsere Bewegung aus der QUELLE sei tatsächlich gelähmt und die Welt, in der wir unter Umständen ein Flugzeug brauchen, um die Distanz zwischen uns zu überwinden, die Welt, in der es auch Mangel, Ablehnung und Unüberwindlichkeit gibt, die Welt, die den unausweichlichen Tod als grundsätzlichen Konsens fordert … die Welt der Stummen sei wahr.
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