Bruder

Wer ist Dein Bruder?
Unser Verstand reagiert sofort. Selbst, wenn Du es über Dich bringst, auf den Einwand zu verzichten, wieso nur nach dem Bruder gefragt wird und was dann mit den Schwestern sei, und auch wenn Du die Frage nicht in den engen Grenzen biologischer Verwandtschaftsverhältnisse verstehst, wirst Du einteilen, abgrenzen. Unser Verstand unterscheidet nun mal, das ist seine Natur: der ist mein Bruder und jener nicht, mit dem könnte ich mir Verbrüderung vorstellen, mit diesem da aber definitiv nicht!
Das sieht nach alternativloser Normalität aus und man könnte einen Punkt dahinter machen, wenn es nicht gegen diesen abschließenden Punkt eine andere Art von Einwand gäbe in Dir, der nicht auf genauere Abgrenzung hinzielte, sondern das leise Glimmen einer Erinnerung nicht gänzlich verschütten will, die von einer wahren Verbindung zum Anderen als geistig, ewig und grenzenlos spricht. Wenn das irgendwo so in Dir erinnert wird, dann musst Du es erfahren haben, und das hast Du auch! Nur, dass solche Erfahrungen von unserem wertenden Verstand eingeordnet werden in die Regionen der Zufälligkeit und Flüchtigkeit, und Du vergisst. Wir alle hatten Momente, in denen wir gewusst haben: wenn ich den nicht Bruder nenne, wenn ich eine Ausnahme mache, dann habe ich gar keinen Bruder, dann bin ich allein, haben gewagt, es auszuprobieren, haben Bruder – mit diesem, einem anderen Wort oder wortlos – gesagt zu Einem, der uns angegriffen hat, und haben bemerkt, dass wir damit Frieden ausgelöst haben. Oder haben nach Jahren eingefahrener feindseliger Gedanken plötzlich liebevoll zu Jemanden hingedacht, der sich lange schon zurückgezogen hatte, und Tags darauf ruft er an, einfach mal so. Oder oder... Du wirst diese Situationen finden, wenn Du die Schubladen vergisst, in denen Du sie einsortiert hast. Wenn nicht, wird sich auch weiterhin immer eine passende auftun. Das ist eine Entscheidung, die Jeder ständig für sich trifft: ist die Welt so in Ordnung für mich, kann ich sie mir für mich befriedigend erklären, oder bleibt diese Unruhe, diese Sehnsucht nach einer alternativen Sicht, die das Grenzenlose, das ewig Verbundene, das absolut Wahre nicht verleugnet?
Wer ist also Dein Bruder? Jeder und Alles. Der Kurs schlägt denen, die dem „Punkt“ hinter der Antwort auf die Frage nach dem Bruder nicht trauen, vor, sozusagen systematisch Erfahrungen zu sammeln, indem sie den Gedanken, dass ein Jeder Dein Bruder sei, schlichtweg ausprobieren und schauen, ob das Wirkungen zeitigt oder nur ein blasser, träumerischer Gedanke bleibt. Kannst Du etwas bewirken, einfach mit einem anderen Blick auf den Nächsten, der Dir gleich begegnen wird?
Das ist die Frage. Wir werden sehen.